China-Kompetenzen und Begegnungen
Die Studie China kennen – China können (MERICS, 2018) zeigt, dass Begegnungen jedes Alters zum langfristigen Sprachenlernen motivieren, Vorurteile gegenüber dem chinesischsprachigen Raum abbauen und damit auch nachhaltig zu stabilen Beziehungen beitragen.
Das Bildungsnetzwerk China fördert seit 2020 den Austausch von Lehrkräften sowie auch Partnerschulen in Deutschland und China.
Der Multiplikator:innenaustausch ist ein Fortbildungs- und Austauschprogramm für engagierte Lehrkräfte aus Deutschland und China, um deutsch-chinesische Schulpartnerschaften aufzubauen oder bestehende Partnerschaften zu vertiefen. Das Programm bietet seit 2012 eine Plattform für den Austausch der Lehrkräfte untereinander, unterstützt sie bei der individuellen Gestaltung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit und stärkt sie in der Rolle als Multiplikator:innen an ihren Schulen. Durchgeführt wird das Projekt von InterCultur gGmbH und dem Goethe-Institut China in Peking in Zusammenarbeit mit dem Pädagogischen Austauschdienst (PAD) des Sekretariats der Kultusministerkonferenz.
Ein wesentlicher Bestandteil zur Förderung der China-Kompetenzen sind Schüler:innen-Begegnungen im Rahmen des Schulpartnerschaftsfonds Deutschland China. Er fördert die Verstetigung von Schulpartnerschaften durch gegenseitige Besuche. Gemeinsam mit dem Pädagogischen Austauschdienst (PAD) und dem Goethe-Institut in Peking, wurden seit 2014, gemeinsam mit der Stiftung Mercator, bereits mehr als 250 Begegnungen in Deutschland und China gefördert und gestärkt. Lehrkräfte organisieren regelmäßige Besuche, digitale Vernetzungsangebote und gemeinsame Schulprojekte. Mehr als 4.000 Schüler:innen, Lehrkräfte und auch Schulleitungen lernten sich und die jeweiligen Lebenswelten im Rahmen der Austausche kennen und trugen diese Erfahrungen in die jeweiligen eigenen Länder.
Digitale Auftaktveranstaltung des Bildungsnetzwerks China
Mit einer digitalen Auftaktveranstaltung hat das Bildungsnetzwerk China am 30.11.2020 erstmals seine Zielsetzungen einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Anlässlich der feierlichen Eröffnung richteten Michelle Müntefering, Staatministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, und Wu Ken, chinesischer Botschafter in Deutschland, ihre digitalen Grußworte an die Organisatoren und Zuhörerschaft.
Das Bildungsnetzwerk China wurde bereits Ende 2019 durch die Stiftung Mercator und das Goethe-Institut gegründet, um Schüler:innen in Deutschland erste Anknüpfungspunkte mit China zu ermöglichen. Zwar existiert die binationale Bildungskooperation zwischen beiden Ländern seit Jahrzehnten - neu ist aber, dass es mit dem Bildungsnetzwerk China eine eigene Anlaufstelle für Bildungsarbeit im schulischen Bereich geben wird, die gezielt den steigenden Bedarf an qualifizierten Nachwuchskräften adressiert, die Wissen über China erlangen und ihre sprachliche Kompetenz in Chinesisch für den interkulturellen Dialog ausbauen wollen. Schüler:innen in Deutschland und China soll der Weg geöffnet werden, um die Beschäftigung mit dem jeweils anderen Land zu einem Teil ihrer Bildungsbiographie zu machen.
Die Staatsministerin ermutigte in ihrer Ansprache Schüler:innen in Deutschland dazu, ihre „Welt mit eigenen Augen kennenzulernen und mit verschiedensten Kulturen in Kontakt zu treten“. Auch der chinesische Botschafter bezeichnete das „Bildungsnetzwerk China als eine neue Brücke für den bilateralen Austausch“ und würdigte per Video-Botschaft das Engagement der Initiative, zukünftig dem zwischenstaatlichen Dialog durch mehr Zugang zu Sprache und Wissen über China den Ausbau der Bildungschancen deutschlandweit zu fördern.
Die Fundamente der Bildungsarbeit hat das Netzwerk dazu bereits im Vorfeld der Eröffnungsveranstaltung gelegt. In enger Kooperation mit dem Pädagogischen Austauschdienst der KMK und dem Goethe-Institut China sollen sich die Bildungsangebote des Netzwerks wie der „Schulpartnerschaftsfonds Deutschland-China“, der „Virtual StudentXChange“ und der „Multiplikatorenaustausch Deutschland – China“ an Schulen, Lehrkräfte und Schüler:innen in beiden Ländern wenden. Das Bildungsnetzwerk füllt damit eine Lücke in der Vermittlung von China-Kompetenz, deren Lehre in Wissen und Sprache derzeit in wenigen Lehrplänen der weiterführenden Schulen verankert ist. Michael Schwarz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, identifizierte in seinem Grußwort dabei ebenso den steigenden Bedarf an China-Kompetenz bei Schüler:innen, den er als ein Leitmotiv der Initiative beschrieb.
Caspar Welbergen, Geschäftsführer des Bildungsnetzwerks, erläuterte im Gespräch mit der Moderatorin des Abends, Dr. Jing Bartz, dass die Zusammenarbeit mit chinesischen Projektpartner:innen immer auch einen intensiven Perspektivwechsel bedeutet würde. Ohne die offenkundigen Meinungsverschiedenheiten auszublenden, möchte das Bildungsnetzwerk an den produktiven Dialog anknüpfen und dabei den Fokus auf die ebenso vielfältigen Gemeinsamkeiten mit China legen. Für einen erfolgreichen Dialog brauche es zwei Dinge, an denen die neue Initiative seines 7-köpfigen Teams von diesem Tag an ansetze. Erstens, gezielte Impulse und Aufbauarbeit an und mit deutschen Schulen, um die China-Kompetenz für Schüler:innen deutschlandweit durch Wissen und Sprachlehre über China zu schulen und zweitens, ein gemeinsames Ziel mit dem Bildungspartner China, das den gemeinsamen Austausch ermögliche und damit einen Diskursraum schaffe, der auf absehbare Zeit und in allen Zukunftsszenarien wichtig sein werde.
Die Expert:innen an diesem Abend, die später für Gespräche mit dem Publikum in drei virtuellen Break-Out-Rooms über China-Kompetenz in ihrer Mehrdimensionalität diskutierten, fanden vorab einmütige Worte, dass nur auf Grundlage der Sprache und des Wissens über ein Land, die notwendigen Voraussetzungen für einen sachorientierten und fairen Austausch geschaffen werden könnten. Wichtig sei aber, so machte die Philosophin Wang Ge – ab Januar selbst für das Bildungsnetzwerk China tätig – deutlich, dass es immer auch eines Willens zur Beschäftigung mit China bedürfe.
Im Break-Out-Room 1 diskutierten Dr. Jing Bartz und Prof. Andreas Guder über die Förderung von China-Kompetenz an Schulen. Andreas Guder ist Professor für Didaktik des Chinesischen sowie Sprache und Literatur Chinas an der Freien Universität Berlin und engagiert sich seit vielen Jahren als Vorsitzender des Fachverbands Chinesisch e.V. für die Förderung des Chinesischunterrichts in allen Bildungsbereichen. Die Notwendigkeit zur Vermittlung von China-Kompetenz im deutschen Schulsystem sah Guder nicht nur angesichts eines erstarkenden Chinas auf der Weltbühne. Deutschland benötige insgesamt eine intensivere Auseinandersetzung mit außereuropäischen Welten, nicht zuletzt brächten die heutigen Kinder schon selbst durch ihre multilingualen und -kulturellen Identitäten diese Welten in die Schulen mit. China böte sich als Musterbeispiel für den Umgang mit Alterität, als eine Hochkultur, die bis ins 19. Jahrhundert von Europa weitgehend unbeeinflusst gewesen und jetzt eine globale Macht geworden sei. Die frühzeitige Beschäftigung mit China während der Schulzeit habe damit das Ziel, Weltbürger:innen des 21. Jahrhunderts auszubilden, die angemessen auf globale Herausforderungen reagieren könnten. Positiv sei anzumerken, dass bundesweit bereits an über 100 weiterführenden Schulen Chinesisch als Wahlpflichtfach etabliert sei und in vielen Bundesländern Lehrpläne dafür existierten. Einen dringenden Bedarf gebe es für den Fachunterricht, wo China-bezogene Inhalte noch zu selten in Lehrplänen, Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen verankert seien. Er begrüßte daher außerordentlich die geplanten Maßnahmen des Bildungsnetzwerks China, Schulen dabei zu unterstützen, China ins eigene Schulprofil aufzunehmen.
Dr. Wang Ge und Dr. Anne Duncker, Bereichsleiterin Europa und Internationale Programme bei der Stiftung Mercator, erörterten im zweiten Break-Out-Room die gesellschaftspolitische Relevanz von China-Kompetenz und stellten diese sogleich in Bezug zur interkulturellen Kompetenz, die für Anne Duncker bereits in ihrer eigenen Bildungsbiografie begründet liegen. Aufgewachsen in Istanbul, lernte Duncker schon als junge Schülerin an einer türkischen Schule, dass der Einstieg in eine fremde Kultur vor allem durch Freundschaften erleichtert werde. Das Selbst durch die Begegnung zur Disposition stellend - so waren sich Wang und Duncker einig – kann den Menschen erst dazu bringen, das Andere verstehen zu lernen und die eigene Positionierung zu reflektieren. Ob für Wang oder Duncker, in der Türkei oder China, sei es die Konfrontation mit einer anderen Kultur, durch die Menschen feststellen können, Land und Leute nicht als ein Konstrukt der Massen zu sehen, sondern die vielen Arten von Persönlichkeiten, die überall existieren, anzuerkennen und individualisiert wahrzunehmen. Auch Wang stellte die Frage nach der Wahrnehmung der Heterogenität des Ganzen als ein Kernthema des bilateralen Austausches heraus und ermutigte die Zuhörer vor den Bildschirmen an diesem Abend zur eigenen Entfremdung mit dem Anderen und sich selbst.