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Erfahrungsbericht:

"Man muss nicht die China-Strategie der Bundesregierung auswendig gelernt haben."

. Schülerakademie 2022

Luise ist Alumna der Schülerakademie China und studiert jetzt Sinologie. Im Interview teilt sie ihre Erfahrungen auf der Akademie.

Hi Luise!

Du hast 2022 an der Schülerakademie China teilgenommen. Die Akademie, die wir mit Bildung & Begabung durchführen und die vom Auswärtigen Amt gefördert wird, gibt Schüler:innen zwischen 16-19 Jahren die Chance, mehr über China in Wissen und Sprache zu erfahren.

Während der 16-tägigen Akademie in den Sommerferien besucht ihr einen täglichen Kurs zur Politik, Wirtschaft, Kultur oder der Geschichte Chinas sowie einen Sprachkurs. Wir freuen uns, dass du Lust hast, uns ein wenig von deinen Erfahrungen zu erzählen...

Welche Kenntnisse über China hattest du bereits vor der Schülerakademie?

Ich hatte, glaube ich, im Vergleich relativ viel Kenntnis über China, als ich zur Akademie gegangen bin. Ich hatte durch meine Tante persönlichen Bezug zu China. Meine Großeltern haben sie in den 80ern in China kennengelernt und sie hat dann in Deutschland studiert, mehrere Jahre bei uns gewohnt und ist wirklich ein Teil der Familie geworden. Und dadurch bin ich natürlich mit einem sehr persönlichen Bezug zu China aufgewachsen.

Andererseits, was schulische Allgemeinbildung über China angeht, war es nicht berauschend. Ich weiß, dass im Englisch- oder Politikunterricht die VR China meistens nur als schlechtes Beispiel genommen wurde. In anderen Fächern ist China fast nie zur Sprache gekommen.

Was hat dich motiviert, an der Schülerakademie China teilzunehmen?

Ich wusste überhaupt gar nicht, dass es eine Schülerakademie gibt, bis zu dem Jahr, in dem ich dann teilgenommen habe. Ich hatte das große Glück, dass eine Kollegin meiner Mutter, die früher selbst mal an einer Schülerakademie teilgenommen hatte, mich darauf aufmerksam gemacht hat. Sie besuchte damals selbst eine Akademie mit Fokus auf Musik, was sich dann durch ihr ganzes Leben gezogen hat, und wusste um die nachhaltigen Auswirkungen, die eine Akademie haben kann und meinte. „Bewirb dich doch drauf.“

Also habe ich da dem Urteil der Kollegin meiner Mutter vertraut und daraufhin eine Initiativbewerbung eingereicht, da musste ich nicht nur den Lebenslauf einreichen, sondern auch noch ein Motivationsschreiben verfassen. Ich dachte, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man abgelehnt wird. Und man sollte so eine Möglichkeit, wenn man sie hat, auf jeden Fall auch wahrnehmen, oder?

Wie hat sich dein Bild von China durch deine Teilnahme an der Schülerakademie China verändert?

Naja, unausgewogen war mein China Bild eigentlich noch nie, weil das ja durch viele Perspektiven ergänzt wurde, schon seit ich über solche Dinge wie ein Chinabild nachdenken konnte. Aber die Schülerakademie China war eben nochmal eine neue wertvolle Perspektive, die bei uns allen das Chinabild nochmal deutlich differenzierter gemacht hat. Nicht nur durch die Kursinhalte, sondern auch weil wir die Rahmenveranstaltungen hatten, wo wir z.B. auch Videokonferenzen nach China gemacht haben.

Und natürlich weil man sich gemeinsam mit anderen Teilnehmenden mit dem Thema China auseinandergesetzt hat. Da sind teilweise sehr tiefgreifende Auseinandersetzungen entstanden, was nur möglich gemacht wurde dadurch, dass wir extrem unterschiedliche Erfahrungen mit China hatten und auch eher unterschiedliche Hintergründe. Es gab einige deutsch-Chinesen auf der Akademie, die in Deutschland, aber mit zwei chinesischen Eltern aufgewachsen sind. Und z.B. ein Freund von mir, den ich auf der Schülerakademie kennengelernt habe, war erst 2018 nach Deutschland gekommen und beide seiner Eltern sind in China.

Das ist natürlich eine Vielfalt, die man so nicht woanders vorfindet, vor allem nicht auf einem Fleck, wo alle miteinander diskutieren können.

Warum hast du dich für den Kurs „Aufbruch ins Unbekannte, die Reise in den Westen“ entschieden und was hast du in dem Kurs gelernt?

Wir haben in diesem Kurs den Stoff aus dem Roman „Die Reise in den Westen“, einem der vier klassischen Romane der chinesischen Literatur, durchgenommen und den teilweise in einem Theaterstück verarbeitet. Das hat den Großteil der Kursarbeit ausgemacht. Wir haben sehr viel Zeit darauf verwendet das vorzubereiten, bevor wir dann das eigentliche Theaterstück konzipiert haben.

Viele der Teilnehmer hatten ja noch gar keine Verbindung zu China oder dem Roman. Das heißt, wir haben uns erstmal etwas über diesen Klassiker angelesen. Davon abgesehen haben wir noch Theatertheorie mitgegeben bekommen. Wir haben z.B. über eine traditionelle chinesische Oper gelernt, wie die Symboliken zu deuten sind, was die Farben und Bewegungen zu bedeuten haben usw. Das war ein großer Wissenszuwachs für mich.

Einen praktischen Anteil hatte der Kurs auch. Wir haben morgens oft auf der Wiese gestanden, Kung Fu geübt und haben so Meditationsübungen gemacht. Deshalb waren wir ein bisschen als der eigenartige Kurs bekannt. Aber genau darum habe ich mich dafür entschieden.

Meine Zweitwahl war Geschichte Chinas, aber darüber kann man sich leichter etwas anlesen, deshalb war ich sehr froh, dass ich meine Erstwahl bekommen habe.

Hast du noch Kontakt zu anderen Alumni der Schülerakademie China, und bleiben sie ebenfalls der Beschäftigung mit China treu?

Ich glaube, dass das bei vielen so ist, dass ihnen ein engerer Freundeskreis geblieben ist und dann gibt es noch die Leute, mit denen man noch Kontakt hat, die man aber nicht mehr so regelmäßig sieht. Ich treffe mich mit meinen Freunden noch mehrmals im Jahr, obwohl wir mittlerweile sogar über mehrere Kontinente verstreut sind. Wir haben auch ein Kurstreffen geplant, aber das konnte bisher noch nicht stattfinden. Auch mit den Kursleitenden haben wir noch viel Kontakt.

Außer mir und Miriam (siehe hier für unser Interview mit Miriam) kenne ich keinen, der auch Sinologie studiert. Eine Freundin von mir möchte anfangen, Koreanistik zu studieren. Das ist zwar nicht genau das gleiche wie Sinologie, aber auch das hat genügend Bezüge zur Sinologie, wenn man auf der größeren Ebene ganz Ostasien betrachtet. Auch ein Freund von mir, der Medizin – also was völlig anderes – studiert, sagt immer, er würde sich in seinem Alltag nie so viel mit China beschäftigen, z.B. Nachrichten über China lesen und so, hätte er nicht an der Schülerakademie China teilgenommen. Einfach weil man sich vielleicht nicht trauen würde, weil man denkt, man ist da nicht am richtigen Platz. Oder man sich fühlt, als wäre es eine feste Gemeinschaft, in die man nicht reinkommen kann.

Insofern hat die Akademie schon bei Vielen sehr viel gebracht.

Was kannst du Schüler:innen, die zögerlich sind, an einer Schülerakademie teilzunehmen, aus deiner Erfahrung als Alumna der Schülerakademie China mitgeben?

Es gibt glaube ich eine Sache, die man sich ins Gedächtnis rufen sollte, um sich ein bisschen die Zögerlichkeit zu nehmen, für mehrere Tage auf der Akademie ein Zimmer mit einer fremden Person zu teilen und im Internat zu wohnen. Und zwar: Alle sitzen im gleichen Boot. Bei uns war glaube ich keiner dabei, der jemals schon in einem Internat gelebt hat. Auch für die Kursleitenden war es teilweise das erste Mal.

Eigentlich kann man nichts falsch machen, wenn man da einfach mal seinen Lebenslauf einreicht. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man abgelehnt wird. Das mag zwar vielleicht erstmal wie ein persönlicher Schlag sein, aber dann kann man es ja immer noch nochmal versuchen. Es ist wichtig, einfach mal was zu probieren, wenn man die Chance hat. Man muss nicht die China-Strategie der Bundesregierung auswendig gelernt haben.

Siehst du in deiner beruflichen Zukunft nach dem Studium weiterhin eine Beschäftigung mit China?

Wenn ich die Möglichkeit hätte, in einer Firma oder so, dann würde ich sie natürlich auch ergreifen. Mein persönlicher Traum wäre es, zumindest zu versuchen, in die diplomatische Arbeit zu gehen. Sonst würde mich auch die akademische Arbeit reizen. Sollte das nicht klappen, dann werde ich mein privates Interesse an China auf jeden Fall nicht verlieren. Ich bin auf jeden Fall interessiert genug, erstmal noch einen Master in Sinologie zu machen. 

Aber im Endeffekt wäre es natürlich super, wenn ich China in mein späteres Berufsleben integrieren kann.

Hast du noch etwas, was du zum Schluss loswerden willst?

Wir haben ja jetzt schon viel über die Schülerakademie China geredet, aber es gibt noch etwas, dass ich hervorheben will. Ich bin sehr dankbar für die besonderen Momente und Veranstaltungen, die uns ermöglicht wurden. Ein besonderes Ereignis, das mir in Erinnerung geblieben ist, war ein Gespräch mit der Leitung des ZhongDe Magazins, einem deutsch-chinesischen Magazin – das erste seiner Art – wovon ich auch erst durch die Akademie erfahren habe. Wir hatten damals zur Vorbereitung ein paar Artikel bekommen und es war wirklich spannend, ziemlich viele von uns hingen an den Lippen der Vortragenden.

Hier noch zum Abschluss ein kleiner Tipp von mir: Die Schülerakademie bietet nicht nur Wissen, sondern ist auch ein ausgezeichneter Ort zum Netzwerken. Das heißt natürlich nicht, dass man jetzt irgendwie mit Kalkül rangehen sollte, sondern es ergibt sich von ganz allein, dass man viele Leute kennenlernt. Wenn man mal irgendwann im Berufsleben steht, könnten einem diese Kontakte vielleicht weiterhelfen.